Als integraler Bestandteil des Sports ist mentales Training ein wiederkehrendes Thema auf dem Spielfeld und in der Welt des Sports im Allgemeinen.
Horse Pilot hat sich die Aussagen von Simon Casse (Spitzensportler, Mitglied des französischen Modern Pentathlon Teams) und Jean-Pascal Cabrera (Sophrologe und Mentaltrainer des französischen Reitverbandes) genauer angesehen.
Beweggründe und herausforderungen des mentalen trainings
Horse Pilot: OB IM COACHING ODER IM SPORT IM ALLGEMEINEN, WIE KANN MAN DIE BEDEUTUNG DEs MENTALEN Trainings ERKLÄREN?
Jean-Pascal: Je nach der Form des Sports ist es immer etwas Anderes, aber was das Verhalten des Athleten betrifft, so sind die Mechanismen dieselben. Das Besondere am Reiten ist, dass der Partner ein Tier ist − mit seinem eigenen Temperament und Charakter. Es hat seine eigenen Gefühle, ganz wie der Mensch.
Es entsteht ein Paar aus Pferd und Reiter, es ist ein Teamsport. Es ist dieser einzigartige Aspekt, der spannend ist, denn er bringt den Reiter dazu, noch mehr an seinen Gefühlen zu arbeiten. Der Spiegeleffekt, der sich auf den anderen überträgt, sei es in einer Fuß-, oder in einer Handballmannschaft, macht es möglich, zu kommunizieren und sich auf Codes zu einigen, die dann funktionieren oder auch nicht.
Beim Pferd ist es insgesamt gesehen ganz anders. Es ist genau dieser wertvolle Aspekt, der mich dazu gebracht hat, intensiv darüber zu reflektieren.
Simon: Ich persönlich habe vor zweieinhalb Jahren mit dem mentalen Training angefangen und bin mir wirklich seiner Notwendigkeit bewusst geworden. Tatsächlich bin ich zur Erkenntnis gekommen, dass ich körperlich immer auf demselben Level wie die anderen war. Ich war körperlich präsent, aber daran, was in meinem Kopf war, musste ich arbeiten. Im Moment, als ich körperlich und geistig am Verbundensten sein musste, war ich nicht auf die richtigen Dinge fokussiert, also wandte ich mich an einen Mentaltrainer.
Es ist ein Training, eine sechste Sportart, die zu den fünf bereits vorhandenen Sportarten im modernen Fünfkampf hinzukommt.
Horse Pilot: Simon, welche vorteile hat Mentales training zusätzlich noch für die sportliche praxis?
Simon: Konzentration, Selbstvertrauen – und das besonders in Schlüsselmomenten, z.B. am Anfang der Rennstrecke. Wenn man auf der Strecke ist, ist man allein mit dem Pferd und genau dann muss man sich voll und ganz auf die Empfindungen konzentrieren; darauf, was man tun muss und so weiter. Das hat mich dazu gebracht, die Rennstrecke immer auf dieselbe Weise anzugehen und so dann auch den gesunden Menschenverstand walten zu lassen. Dann ist es viel einfacher, seine Fehler zu analysieren, was funktioniert hat und was nicht.
So kommt man voran.
Mentales Training ermöglicht es, etwas mehr Distanz aufzubauen, ein etwas genaueres Auge auf die Dinge zu haben, Fehler aufzuzeigen und diese im darauffolgenden Training zu korrigieren. Es hat meine Leistung und mein Engagement täglich weiterentwickelt.
Das bedeutet zwangsläufig, dass man ein besseres Verhältnis zu den Pferden hat und sich in allen möglichen Situationen wohler fühlt. Vor allem beim Fünfkampf, wenn man das Pferd nicht kennt und sich an alle Pferde anpassen können muss.
Man muss auf alles vorbereitet sein.
Mit jemandem Wettzueifern bedeutet, im moment zu leben.
„zum entscheidenden moment wechseln, zum richtigen moment, in dem man sich in die gegenwart begeben und handeln muss“
Horse Pilot: Jean-Pascal, welche veränderungen kann man bei athleten nach einem mentalen training beobachten?
Jean-Pascal: Der Unterschied zwischen einem Hochleistungssportler und einem Leistungssportler liegt in der Konzentration. Diese Konzentration bezieht sich entweder auf innere Faktoren, die entweder spezifisch (die Position des Schwimmbeckens) oder weitläufig (die Verfassung des Muskeltonus) sind oder auf äußere Faktoren, die auch spezifisch (wohin sich das Pferd bewegt, welche visuellen Hinweise ich erkenne) oder sehr weitläufig (die Rennstrecke) sind.
Jemand, der unter Stress steht, sieht das alles als Gesamtpaket und vermischt es. Beim Reiten ist es zum Beispiel so, dass man sich in erster Linie um sein Pferd kümmert, es muss ihm gut gehen. Ich gehe dabei von einem relevanten Konzentrationspunkt zum Nächsten über und je näher ich dem Ziel und dem quadratischen Platz komme, desto mehr konzentriere ich mich auf immer genauere Punkte. Ich konzentriere mich auf die Ohrspitze meines Pferdes, ich schaue einen Meter vor die Stange und darüber hinaus, wenn ich sie passiert habe.
Die Qualität der Konzentration liegt im Hier und Jetzt. Ich denke nicht an die Medaille. Wenn ich jemals an die Medaille denke, ohne das Hindernis zu bedenken, ist es gelaufen. Ziel der Konzentration liegt in spezifischen, strategischen Informationen. Natürlich will jeder Athlet gewinnen, aber im konkreten Moment der Höchstleistung ist es die extreme Konzentration, die ihn antreibt und ganzheitlich absorbiert.
Horse Pilot: Simon, inwiefern hilft mentales training konkret, um den druck besser zu bewältigen und konzentriert zu bleiben?
Simon: Mentales Training hat mir geholfen – man könnte das eine kurze Abfolge nennen – zum entscheidenden Moment zu wechseln, zum richtigen Moment, in dem man in die Gegenwart wechseln und in Aktion treten muss. Beim Reiten ist es für mich persönlich der Moment, in dem die Glocke läutet. Dann vergisst man alles rundherum, man ist allein mit dem Pferd und der Rennstrecke.
Das erste Hindernis: Wie überwindet man es, welche Kurve nimmt man, welcher Impuls ist vorhanden? Dabei muss man immer konzentriert bleiben, um zu wissen, was im Moment zu tun ist.
Ich vergegenwärtige mir dann einiges nach jeder einzelnen Entscheidung, um zu überprüfen, ob ich gut verstanden habe, in welchem Moment welche Aktion notwendig ist, wie man ein Hindernis angeht. Dabei kann man nichts mehr vorhersagen, deshalb ist es immer schwierig, darüber zu reflektieren, besonders bei einem Pferd, das man nicht kennt. Aber wenn man einmal auf dem Pferd ist, geht es wirklich um die Konzentration, um den aktuellen Moment und um die Aktionen, die im Moment durchgeführt werden müssen.
Schlüssel zur leistungsfähigkeit: die konzentration
Horse Pilot: INWIEWEIT HAT MENTALEs training AUSWIRKUNGEN AUF DIE ERGEBNISSE eines wichtigen wettkampfes, wenn man von der körperlichen verfassung absieht?
Simon: Im Wettkampf geht es darum, zur richtigen Zeit der Beste zu sein, in jenem schicksalhaften Moment, in dem sich alles entscheidet. Zu diesem Zeitpunkt muss man 100% geben. Mentales Training trägt dazu bei, zu diesem Moment zu gelangen und diese Momente zu durchleben.
Viele Athleten sprechen in diesem Zusammenhang von Bereichen der Konzentration und des Selbstvertrauens, in denen nichts schieflaufen kann. Was auch immer passieren mag, man hat immer eine Lösung parat, man rechnet mit allem. Das Wichtigste ist das Vorausdenken. Um zu diesem Punkt zu gelangen, muss man mental an sich arbeiten – es ist nämlich in Wirklichkeit nicht so, dass es einfach passiert.
Man muss wissen, wie man das nutzen kann, wie man seine Fehler und Misserfolge managen kann und dabei auch positiv nach vorne schaut.
Jean-Pascal: Um die Leistungsfähigkeit so optimal wie möglich zu nutzen, sind die psychologischen Faktoren entscheidend. Das Ziel ist es, der Beste zu sein und um der Beste zu sein, muss man so kühn wie möglich urteilen (Was muss ich korrigieren? Was muss ich mehr oder weniger einbauen und was ist es nicht wert?)
Deshalb muss man es trainieren, seine Wertvorstellungen außen vor zu lassen und stattdessen eine phänomenologische Perspektive einzunehmen, das heißt, Phänomene zu beobachten.
Beim Reiten trainiert man mit einem bestimmten Pferd, mit einem bestimmten Trainer an einem bestimmten Ort, wohingegen der Verstand seinen eigenen Weg geht.
Wir verwenden unser gehirn seit der geburt und haben den eindruck, dass wir es bestmöglich nutzen. Wenn wir in wettbewerb treten, müssen wir es für den wettbewerb trainieren, dann macht das gehirn brilliante dinge, es übertrifft sich selbst.
Die Bedeutung der Begriffe „körperlichen Grenze“ oder „Konzentrationsgrenze“ ist sehr subjektiv. Es sind lediglich psychologischen Grenzen, die wir uns selbst setzen. Man kann über seine Grenzen hinausgehen, wenn man es trainiert, bestimmte psychische Signale handzuhaben.
Je höher das Leistungsniveau, desto schwieriger wird es, diese Grenzen zu überschreiten. Es braucht schon im Vorhinein einen enormen Aufwand an Arbeit, um solche kleinen Vorteile nutzen zu können. In Summe ist es unglaublich schwer, alle diese Details zu nutzen, um besser zu werden, aber das ist es, was den Unterschied ausmacht.
„Ein detail ist nicht bloß ein detail.
Genau das ist so wertvoll.“
Eine fundamentale Arbeit und ein tägliches training
Jean Pascal: Das Besondere an der Sophrologie ist, dass man ohne den externen Kontext trainieren kann. Man übt, bestimmte Bilder in einem etablierten Verfahren im Kopf zu visualisieren. Wenn man solch eine Visualisierung durchführen will, benötigt man dazu einen bestimmten körperlichen Zustand, der konkrete Gehirnströme auslöst. So ist es uns möglich, einen viel dynamischeren oder viel entspannteren Muskeltonus herbeizuführen.
Die Sophrologie spielt mit der Identifizierung von Gefühlen, indem sie mit Spannungszuständen und Visualisierung jongliert. Wenn diese Zustände eintreten, nehmen wir sie viel schneller wahr als andere Menschen, weil wir wissen, wie wir diese Phänomene herbeiführen und handhaben können. Ist man gut trainiert, ist man in der Lage, Gefühle angemessen zu managen, was die Konzentration im Wettbewerb beeinflusst.
Der Athlet hat dabei Darstellungen, Bilder und Verhaltensweisen im Kopf, was seine Anwesenheit in einem Wettkampf kennzeichnet. Wenn das während der Vorbereitung nicht verfolgt wird, ist auch der Wettbewerb nicht davon betroffen. Die Chancen stehen dann gut, alles durcheinander zu bringen und in Folge zu improvisieren. Das bedeutet nicht, dass man unflexibel sein muss. Man entwickelt eine Flexibilität, die sich der Situation anpassen kann.
Im Vorbereitungsprozess muss man sich auf das Unerwartete vorbereiten, indem man flexibel ist und einen Handlungsrahmen beibehält. Das nennt man auch Automatismen.
Mentales Training ist wie eine Pyramide, die gebaut wird. Man beginnt mit dem Bau der sehr breiten Grundfläche, aus der sich im Laufe der Zeit die Spitze formt. Die Spitze steht dabei für einen präzisen Punkt, der zum Beispiel die Weltreitspiele symbolisieren könnte.
Mentales Training ist kein Gadget, wir arbeiten am Menschen und an seinem Verhalten, das in Etappen aufgebaut wird, ohne viel Zeit verstreichen zu lassen.
Es ist nicht so einfach, zu lernen, wie man mit seinen gefühlen umgeht, konzentriert bleibt und im hier und jetzt handelt.
Wie auch die Technik ist mentales Training eine grundlegende, fundamentale Arbeit. Der Wettkampf ist nur das Endergebnis. Sind auch Sie bereit, um zu performen? Alles, was Sie jetzt tun müssen, ist sich dafür auszurüsten!
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